„Wenn es nicht kaputt ist, repariere es nicht.”
- Berühmte letzte Worte vieler gescheiterter Software-Projekte.
Für Geschäftsführer ist es oft rätselhaft, warum Software kontinuierliches Refactoring braucht. Der Code funktioniert, Kunden sind zufrieden, Umsatz fließt - warum also Geld in etwas stecken, das scheinbar perfekt läuft?
Die harte Realität: Refactoring zu ignorieren ist wie Wartung bei einem Formel-1-Auto zu überspringen. Es mag ein paar Runden funktionieren, aber irgendwann findest du dich am Streckenrand wieder, während deine Konkurrenten an dir vorbeifahren.
Dieser Artikel zeigt dir, warum Refactoring nicht optional ist, wann es gefährlich wird und wie du den Sweet Spot findest, der dein Engineering-Team produktiv hält, ohne das Budget zu sprengen.
Was ist Code Refactoring?
Stelle dir Refactoring so vor: Du renovierst dein Haus, während du noch darin wohnst.
Du fügst keine neuen Räume hinzu oder änderst den grundlegenden Zweck des Gebäudes. Stattdessen:
- Aktualisierst du die Elektroinstallation für moderne Geräte
- Ersetzt alte Rohre, bevor sie platzen
- Verstärkst das Fundament für zusätzliche Stockwerke
- Modernisierst das Heizsystem für mehr Effizienz
In Software-Begriffen bedeutet Refactoring die interne Struktur deines Codes zu verbessern, ohne zu ändern, was er für deine Nutzer tut.
Die Anwendung sieht aus und verhält sich genau gleich, aber darunter wird sie wartbarer, sicherer und bereit für zukünftige Features.
Warum ist Refactoring notwendig?
Stell dir vor du führst eine kleine Automobilfabrik. Alles scheint glatt zu laufen, bis…
Die Welt um dich herum sich verändert:
- Straßen werden holpriger (neue Sicherheitsbedrohungen)
- Verkehrsregeln ändern sich zu Linksverkehr (neue Vorschriften)
- Kunden verlangen größere, robustere Fahrzeuge (neue Feature-Anfragen)
- Die Regierung setzt neue Emissionsstandards (Compliance-Anforderungen)
Deine Lieferkette entwickelt sich weiter:
- Du willst die Reifen upgraden, aber sie passen nicht auf die alten Achsen
- Besserer Stahl ist verfügbar, aber erfordert neue Fertigungsprozesse
- Dein Elektronik-Lieferant geht pleite. Der neue Lieferant nutzt andere Schnittstellen, die neue Integrationslogik benötigen
- Sicherheitslücken werden in deinen Schlüsselsystemen entdeckt, aber der ursprüngliche Lieferant kann sie nicht reparieren. Das Ersatzsystem erfordert ein komplettes Türen-Redesign
Das ist die Realität der Software-Entwicklung!
- Dependencies werden veraltet
- Sicherheitslücken werden entdeckt
- Betriebssysteme aktualisieren sich
- Browser ändern ihre Standards
- Third-Party APIs entwickeln sich weiter
Der einfache Drucker in der Ecke deines Büros, der nicht mit dem Web verbunden ist? Das ist vielleicht einfach zu verwalten.
Aber selbst hier wirst du Probleme bekommen, wenn Leute plötzlich keinen USB-A-Anschluss mehr an ihren Computern haben.
Moderne Software ist normalerweise mit dem Web verbunden. Dort kämpfst du täglich mit Veränderungen. Es ist wie einen Formel-1-Wagen während des Rennens zu warten.
Können wir Refactoring einfach überspringen?
Absolut. Du kannst diese Refactoring-Kosten sparen - aber diese Kosten tauchen anderswo wieder auf, meist vervielfacht.
Das passiert, wenn du Wartung überspringst:
Teams werden langsamer
Erinnerst du dich an das Auto-Beispiel?
Wenn du die Elektronik nicht upgradest, aber ein neues Feature hinzufügen musst, muss dein Team komplexe Workarounds erstellen. Statt einer einfachen Integration bauen sie Brücken zwischen inkompatiblen Systemen.
Reales Beispiel: Ein einfaches Benutzer-Benachrichtigungs-Feature hinzuzufügen, das 2 Tage dauern sollte, endet bei 2 Wochen, weil das Team um veraltete Authentifizierungssysteme, Legacy-Datenbankstrukturen und deprecated APIs herumarbeiten muss.
Systeme sterben langsam
Wenn du nicht planst, in 5 Jahren noch im Geschäft zu sein, dann überspringe gerne das Refactoring. Aber für alle anderen potenziert sich technische Schuld wie Zinsen auf einer Kreditkarte.
Die einzige Ausnahme: Du baust einen Wegwerf-MVP, um Market Fit zu testen. Diese Prototypen sind darauf ausgelegt, verworfen, nicht gewartet zu werden.
Die versteckten Kosten tauchen später auf
- Neue Entwickler brauchen Wochen, um chaotischen Legacy-Code zu verstehen
- Einfache Bug-Fixes werden zu archäologischen Expeditionen
- Sicherheitslücken vervielfachen sich in veralteten Dependencies
- Irgendwann brauchst du ein komplettes Rewrite, das 10x mehr kostet als regelmäßige Wartung
Den Sweet Spot finden
Während Refactoring für Produktionssysteme nicht verhandelbar sein sollte, können Engineering-Teams auch übertreiben. Dies kommt in der Regel eher von Perfektionismus als der Notwendigkeit nach einem Refactoring.
Die Perfektionismus-Falle
Viele Entwickler wollen „perfekten Code” erstellen - aber sie können nicht einmal definieren, was das bedeutet. Manche kämpfen mit der 80/20-Regel und verbringen Wochen damit, Code zu optimieren, der bereits gut genug funktioniert.
Der Management-Ansatz
Behandle Refactoring wie jeden anderen Aspekt deines Produkts:
Essentielle Wartung (nicht verhandelbar):
- Bibliotheken aktuell halten
- Sicherheitslücken schließen
- Kompatibilität mit externen Systemen aufrechterhalten
- Regulatorische Compliance sicherstellen
Optimierungsarbeit (wie Features priorisieren):
- Code-Lesbarkeitsverbesserungen
- Performance-Optimierungen
- Architektur-Verbesserungen
- Developer Experience-Verbesserungen
Budget-Allokation
Ein gesundes Software-Projekt allokiert typischerweise:
- 20-30% der Entwicklungszeit für Refactoring und technische Schuld
- 70-80% für neue Features und Geschäftsanforderungen
Das ist kein Overhead - es sind die Kosten, um deine Software wettbewerbsfähig und wartbar zu halten.
Entscheidungsframework
Nutze dieses einfache Framework, um Refactoring-Bedürfnisse zu bewerten:
Sofortige Maßnahmen erforderlich
- Sicherheitslücken in Dependencies
- Kompatibilitätsprobleme mit kritischen Systemen
- Performance-Probleme, die Nutzer betreffen
- Compliance-Verstöße
Innerhalb des nächsten Quartals einplanen
- Veraltete Dependencies mit verfügbaren Updates
- Code, der neue Feature-Entwicklung verlangsamt
- Technische Schuld, die Bug-Häufigkeit erhöht
- Developer Experience-Probleme, die Produktivität beeinträchtigen
Für zukünftige Sprints erwägen
- Code-Style-Verbesserungen
- Architektur-Optimierungen
- Performance-Verbesserungen für Edge Cases
- Developer Tooling-Upgrades
Gibt es eine KI dafür?
Es gibt sogar bereits viele Nicht-KI-Systeme, die dir kostenlos helfen!
Tools wie Renovate oder GitHubs Dependabot scannen deine Dependencies und helfen dir, sie aktuell zu halten.
Linter und Coding Guidelines können dir helfen, Dinge von Anfang an wartbar zu halten.
Das Problem: Während es viel Hilfe gibt (und auch immer bessere KI-Agenten), musst du trotzdem deren Kosten einkalkulieren - zumindest was es braucht, um zu bewerten, ob die Hilfe nicht sogar noch schlimmer ist.
Das Fazit
Spare niemals Geld beim Refactoring für Produktionssysteme, die von zahlenden Kunden genutzt werden. Es sind keine Kosten - es ist Versicherung gegen viel größere zukünftige Ausgaben.
Überwache Refactoring-Arbeit aber genau, um sicherzustellen, dass sie nicht in Perfektionismus ausartet. Diese Balance erfordert erfahrene Engineering-Führung, die sowohl technische Notwendigkeit als auch Geschäftsprioritäten versteht.
Denk daran: Das Ziel ist nicht perfekter Code. Das Ziel ist nachhaltiger, wartbarer Code, der deine Geschäftsziele unterstützt, ohne deine Entwicklungsgeschwindigkeit oder dein Budget zu beeinträchtigen.